[...]
Ähnlich hat er mit Buchdeckeln gearbeitet, die ihm als
Zeichenuntergrund dienten. Auf ihnen entstand mit sparsamer Zeichnung,
mit collagiertem Material, Textfragmenten und mitunter auch
Rißspuren, die vom Entfernen des Buchblocks zeugten, absurde
Szenerien und Landschaften. Witthaus selbst bezeichnet diese Werkgruppe
als Buchdeckellandschaften.
Warum
Bücher? "Das Buch ist das Sinnbild für Bildung, für
Erinnerung und geschichtliche Überlieferung. Die zerstörten
Bücher spielen auf damals und heute an, sie fragen, welche
Auswirkungen die Vergangenheit auf die Gegenwart hat", sagt Witthaus.
Im Gegensatz zur
kleinformatigen Ausdrucksweise, die, so sie öffentlich zur
Kenntnis genommen werden soll, dem Betrachter immerhin einen Museums-
oder Galeriebesuch abverlangt, (Thema Schwellenangst), liebt Witthaus
den öffentlichen Raum. Zahlreiche Land-Art-Projekte gehen auf das
Konto des jungen Künstlers. [...]
An
Landschaftskunst schätzt Witthaus aber auch den direkten, offenen
Kontakt mit den Menschen. "Ich bekomme unmittelbare Reaktionen, wenn
ich irgendwo den Rasen bearbeite", sagt der Künstler, der sich
zunächst fragen lassen muß, wer das erlaubt hat. Freilich
geht ihm auch ein wenig um Provokation, wenn er das Rasenmähen,
eine Domäne der Bürgerlichkeit schlechthin, in den Bereich
der Kunst erhebt.
Uta Jostwerner,
Westfalen-Blatt 227, 28. September 2004
Texte zu den
Rasenmäher-Zeichnungen
Schlossplatz,
Schloss Münster 2004
Ralf Witthaus
4466
Sprossenfenster blicken die Besucher des Münsteraner
Schlosses an, eine architektonische „schauende Macht“. Diesem alten,
provozierenden Architekturgedanken stehen entsprechend viele
Rasensitzplätze entgegen.
Realisiert in
Kombination mit der Ausstellung „Witthaus‘ Sommerwiesen“
in der Oberfinanzdirektion Münster.
© Foto von
Ralf Witthaus
Die
Spiegelarbeit, Bürgerpark Bielefeld 2005
Ralf Witthaus
Im Gedenken an
die Jüdin Franziska
Spiegel. Buchstabenzwischenräume,
nicht entzifferbarer Satz.
Realisiert in
Kombination mit der Ausstellung „Das Blatt sinkt herab
durch den Baum“ in der Galerie 61, Bielefeld.
© Foto von
Ralf Witthaus
Lob der Berge,
Nordhorn 2006
Ralf Witthaus
Die
Rasenmäherzeichnung “Lob der Berge“ ist am Hang des einzigen
Nordhorner (Deponie-)Berges angebracht. An den drei anderen Seiten des
pyramidenähnlichen Berges sind Treppenfragmente zum Gipfel
aufgezeichnet. Die Gestaltung des Berges mit einem Aussichtspunkt und
einer Treppe, die allen Sicherheitsmaßstäben gerecht wird,
sowie mit Schildern auf jeder Seite, die das Besteigen und Befahren der
Böschung verbieten, gibt dem Objekt eine Funktion - und
gleichzeitig eine Reglementierung dieser Funktion. An den vier Kanten
des Berges ist jedoch ein stiller Ungehorsam ablesbar: Dort sind
niedergetretene Trampelpfade, die auf eine humorvolle oder lustvolle
Ablehnung der Geländer, Verbotsschilder und Sicherheitsmassnahmen
verweisen.
Realisiert
mit der Städt. Galerie Nordhorn.
© Foto von
Ralf Witthaus