Zufrieden mit dem Straßenausschnitt im Sucher
der Kamera will Moritz Hasse gerade auf den Auslöser drücken,
als jemand
ausparkt und die ganze Komposition zum Teufel fährt. Moritz Hasse
zieht
die Nase kraus beim Lächeln. Nein, er ist kein Autofotograf, er
hat
noch nicht einmal einen Führerschein, er ist Maler, und
Straßenzüge
sind seit über 10 Jahren sein Motiv.
Moritz Hasse, geboren 1972 in Bremen, ist seit 1995
in Berlin. Er kam von der Muthesiusschule Kiel, um an einer Hochschule
weiterzustudieren, vor allem um in einer Großstadt zu leben. Die
in
Berlin möglichen ad-hoc-Karrieren galt es zu prüfen. Die
Legenden der
wüsten 80er Jahre mit dem tollen Knäuel aus malenden Musikern
und
singenden Malern versprachen Gutes. „Die große Zahl an Galerien
und
Ausstellungsräumen hier reizt mich immer noch.“ Zu der Zeit, da
sich
die zappelige Kunstszene auf den neuen Standort Berlin einigt, Mitte
der 90er Jahre, verschwindet Moritz Hasse erst mal in der UDK und
beendet sein Studium.
„Meine Beobachtungen dort waren nicht sonderlich
großstädtisch“, stellt Hasse amüsiert fest. Die UDK
kämpfte mit
Diskrepanzen zwischen neu gefordertem internationalen Anspruch und dem
dort über Inseljahrzehnte etablierten Regionalismus,
Provencestillleben
malende Professoren inklusive.
„Gute Malerei gibt es gar nicht so oft“, sagt er,
auch mit Blick auf den Malerei-Hype aus Leipzig. Er ist nicht
apodiktisch, aber er ist sich sicher. Gelassenheit ist ein wesentliches
Merkmal seiner Person. „Es ist tunlichst zu vermeiden, beim Bildermalen
sich selbst therapieren zu wollen.“ Gelassen ist Hasse auch
gegenüber
den wirren Anforderungen, die an Künstler gestellt werden:
Konzentration, Intuition, Widerstand, Anpassung, Versponnenheit,
Präsenz. Am besten alles Gleichzeitig. Moritz Hasse betrinkt sich
nur,
wenn er Lust dazu hat. Seine Arbeitsbedingungen entwickeln sich in
seinem Sinne. Er muss weniger jobben im Café und hat mehr Zeit
zu
malen. Gerade hat Hasse einen neuen Galeristen. Im Herbst wird er auf
der Messe „Art fair“ in Köln vertreten sein.
Die heftigen Schwankungen der öffentlichen
Zuneigung für Positionen und Personen verfolgt er als
teilnahmsvoller
Beobachter. „Ich halte mich raus, Nervosität bringt meiner Arbeit
nichts.“ Das bange Gefühl, irgendwo nicht mitmachen zu
dürfen, ist ihm
fremd. „Ich glaube, dass die Akzeptanz unter Kollegen hergestellt ist,
sobald man klarmachen kann, dass man sich durchschlägt.“
Bange Gefühle hatte er, als er nach einer langen
Arbeitsphase feststellte, dass er auf Terpentin allergisch reagiert.
Was tun? Umsatteln auf Automechaniker? „Ein Mundschutz schützt nun
mein
Hirn vor der endgültigen Erweichung“, sagt er ironisch, „und
lüften
kann man ja auch.“
Moritz Hasse malt und malt, weil diese Technik Teil
des kulturellen Gedächtnisses ist. Emotionalität funktioniert
unabhängig von der Innovation. „Die spitzfindigen
Ausdifferenzierungen
der kunstinternen Diskurse sind interessant, aber nicht erstes
Kriterium für die Beurteilung meiner eigenen Arbeit“, sagt er.
„Mein Blick ist natürlich davon geprägt, auch von
Film und Fotografie, aber „Maler pflegen eigene Helden.“ Er zählt
einige auf: Cézanne, Liebermann, Hopper, Richter, auch
Fotografen,
Struth zum Beispiel.
Licht auf Fassaden. Moritz Hasse malt mit
einheitlich großem Pinsel. Auf diesen Bildern wird keine
spezielle,
besonders wichtige Sache betont. Es sind gut beleuchtete
Schauplätze
für „Tatort“ oder Wahlkampf, die Schauspieler sind aber nicht da.
Die
Straßen liegen ungerührt, sie taugen nicht zur
Projektionsfläche. „Ich
geheimnisse nichts in meine Arbeiten hinein, weder inhaltlich noch
formal, ästhetizistische Zauberstücke sind nicht meine Sache.“
Die Motive stammen aus sehr verschiedenen Städten
der Welt. Rom, Moskau, Williamsburg/NY, Berlin. Städte, die mit
der
Entwicklung bürgerlicher Zivilgesellschaft entstanden, ähneln
einander.
Trotz shrinking citys und verödender Innenstädte berichten
die
Mittelklassewagen auf Hasses Bildern von dieser Konstante. „Die Bilder
sind Dokumente der Normalität. Nicht dass ich Normalität
besonders toll
fände, aber es ist genau die Umgebung, die prägt, ob man sich
ihrer
bewusst ist oder nicht.“ Als Nächstes reist Hasse nach Istanbul.
Beim Betrachten vollzieht man die gute alte
Eroberung der Welt als Bild. Moritz Hasse gehorcht dem Problem, das uns
kommandiert - der Wirklichkeit.
Nora Sdun